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Irgendwann genügte Rolf Ruppert (Name geändert) das Glas Bier am Abend nicht mehr. Schon auf dem Weg von der Arbeit nach Hause kaufte er sich eine Flasche am Kiosk. Die trank er im Zug. Über die Jahre konsumierte der heute 45-Jährige immer mehr Alkohol. Ende vergangenen Jahres wandte er sich an die Suchtberatungsstelle der Caritas. Knapp 230 Menschen mit Alkoholproblemen aus Stadt und Kreis Würzburg fanden hier 2012 Hilfe - 20 Prozent mehr als im Vorjahr.

Vor allem am Wochenende war Rolf Ruppert mitunter richtig besoffen. „Ich mag Fußball“, berichtet er Petra Müller, die Leiterin der Suchtberatungsstelle. Was das heißt, dass er Fußball mag?, fragt sie. Nein, aktiv spielt Ruppert nicht. Doch ins Stadion geht er gern. Zusammen mit Kumpels. Vorher wird schon was geschluckt. Und hinterher Siege gefeiert oder Niederlagen mit Hilfe des Alkohols verschmerzt.

Manchmal wurde er im alkoholisierten Zustand ausfallend. Was ihn hinterher reute. Schleichend steigerte sich sein Konsum. Irgendwann war es für Rolf Ruppert ganz normal, an einem Werktag sechs Flaschen Bier zu „zischen“. Dass Alkohol überall verfügbar ist, dass sich gerade im Sommer ein Wein- und ein Bierfest an das andere reiht, das ist für Menschen wie Ruppert geradezu verhängnisvoll, betont Müller.

Dem Chef fiel allmählich auf, dass sein Mitarbeiter oft zu tief ins Glas guckt. Als Petra Müller den Klienten in der ersten Stunde fragt, warum er denn hier ist, gibt er zu: „Der Suchtbeauftragte unserer Firma hat mich angesprochen.“ Der Chef wolle, dass er zur Beratung geht. Das müsse sie ihm sogar bestätigen, dass er hier war. Petra Müller fragt Rolf Ruppert darauf, zu wie viel Prozent er eigentlich aus eigener Motivation da ist. Der Mann überlegt. Dann meint er zögernd: „Vielleicht zu 20.“ Der Suchttherapeutin genügt das: „Ich arbeite auch mit Klienten, die nur fünf Prozent Eigenmotivation mitbringen.“

Obwohl sie sich zumindest phasenweise redlich abmühen, schaffen es Alkoholabhängige oft nicht aus eigener Kraft, von der Flasche loszukommen. In der Beratungsstelle der Caritas erarbeiten sie Strategien, um den Absprung zu schaffen. Die Therapeuten geben Denkimpulse. „Was würden Sie denn gerne mal wieder in Ihrer Freizeit tun?“, fragt Petra Müller ihren Klienten Rolf Ruppert.

Der beginnt im Geiste, alte Hobbys auszugraben. Früher war er ein aktiver Sportler. Bis ihm durch das Trinken die Energie ausging. Daran würde er gern wieder anknüpfen, meint er. Woraufhin Müller ihm vorschlägt, sich am Lauftreff des Vereins Stadtmarathon zu beteiligen.

Laufen hält Petra Müller für einen idealen Ausgleichssport nicht nur bei einseitiger körperlicher Belastung im Beruf. Sie selbst ist Lauftherapeutin und bietet regelmäßig Anfängerkurse an. Nicht zuletzt für Suchtkranke.

Das Verlangen nach Alkohol niederzukämpfen, ist für Suchtkranke eine immense Herausforderung. Petra Müller erklärt Rolf Ruppert an der Flipchart, was er tun kann, um einen Rückfall zu verhindern. „Dysfunktionale Gedanken“ schreibt sie an die Papiertafel. „Was bedeutet das denn?“, will Ruppert wissen. Petra Müller fragt ihn daraufhin, wie er über Alkohol denkt. Und findet heraus, dass Ruppert sich Bier, Wein oder einen Wodka oft als „Belohnung“ gönnt. Dieser Gedanke, erläutert sie ihm, sei „dysfunktional“. Er führt direkt hinein in die Sucht. Dabei habe Ruppert doch oft genug erfahren, dass Alkohol unterm Strich keine positive Belohnung ist.

Nie wieder einen Schwips zu haben, das kann sich Ruppert noch immer nicht vorstellen. Zumindest an Sylvester will er auch künftig mit anderen anstoßen. Und sich nach einem besonders stressigen Arbeitstag ein Gläschen gönnen.

Nur sternhagelvoll, das will er nie wieder sein. Darum lässt er sich auf eine Entwöhnungstherapie ein. „In Kürze wird er auf Reha gehen“, sagt Müller. Auch danach wird sich die Einrichtungsleiterin um Rolf Ruppert kümmern – wenn er das möchte. Versprochen hat ihr auf jeden Fall, dass er am Lauftreff teilnehmen will. Statt zu trinken.

Hintergrund: Suchtberatung der Caritas

Im vergangenen Jahr wurden 531 Männer und Frauen aus Stadt und Kreis Würzburg vom Team der Psychosozialen Beratungsstelle für Suchtprobleme des Kreiscaritasverbandes begleitet. Im Jahr davor gab es 347 Dauerklienten. Damit stieg die Zahl der Beratenen um über 50 Prozent an. Ein Großteil der Ratsuchenden kommt wegen einer Alkoholsucht in die Einrichtung. Stark gewachsen ist aber auch die Anzahl der Klienten, die wegen einer Essstörung um Beratung nachfragen. 2011 betrug ihr Anteil erst knapp neun, 2012 waren es bereits 16 Prozent. Mehr als jeder fünfte Ratsuchende ist glücksspielsüchtig. Kontakt: 0931-386-59180.

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